Einsamkeit – Allein Sein – All-Eins-Sein

Ein wichtiger Aspekt in meinem Kunstschaffen ist die Einsamkeit. Die für mich stimmigere Schreibweise „All-Eins-Sein“ ist in ihrer Zusammensetzung dringlicher und weist deutlicher zum Kern der Aussage. „All“ verbinden wir mit einem Größeren, Allumfassenden, dem Unendlichen – eigentlich nicht wirklich Fassbarem, da zu groß ist in seiner Dimension. „Eins-Sein“ deutet auf die Einheit im Sein, was immer durch Gegenwärtigkeit gegeben und verstanden sein will. All-Ein-Sein gelingt in der wachen Gegenwart, was wiederum die Grundlage von Gestaltung, von Kreation, von Kunst ist. Das dabei Solitaire dem Atelier entwachsen dürfte somit kein Wunder sein.

Auch wenn viele Color-Awareness-Paintings in Reihen entstehen, die sich aufeinander beziehen, sind sie eher durch Ähnlichkeit gekennzeichnet als durch das Narrative, welches in meiner Kunst keine Rolle spielt. Durch Konzentration auf das Jetzt, oder besser: durch ein All-Eins-Sein im Schaffen kann die Seelenkraft ins Werk fließen und zu Momentaufnahmen gerinnen, die dann als Zeugen dieses gestalterischen Schaffens ihren Weg in die Freiheit bekommen.

Warum Einsamkeit?

Spiel & Kreativität

Als Kind noch ganz eingebunden in die Schönheit des einfachen Lebens auf einem slovenischen Bauernhof, ohne elektrisches Licht, dafür Kerzenschein, kein fließend Wasser, dafür klares frisches Brunnenwasser und auch keine Zentralheizung aber dafür die behagliche Wärme eines Kachelofens (zumindest in der Winterzeit) – also unter einfachen Lebensbedingungen, aber aufgehoben im Spiel, in der Natur kam es zu Brüchen mit der Familie als die Zeit gekommen und ich gerade mal 6 Jahre alt war. Der Wunsch nach etwas Erleichterung, nach einem kleinen Luxus im Da-Sein veranlaßte meine Mutter nach Deutschland zu gehen. Der Ruf des späteren Stiefvaters, der mit 5 Kindern allein in Deutschland, war zu verlockend. Die zwei größeren Geschwister habe ich da aus den Augen verloren, mein Bruder kam wie ich zu Verwandten. Die kleine Schwester durfte die Reise mit ihr antreten, während ich im Alter von 6 Jahren zu Tante und Onkel im Nachbarort untergebracht wurde. Nach einem Jahr durfte ich dann ins Schwäbische folgen, allerdings bot die Sozialwohnung kaum Platz für die schon bestehende achtköpfige Familie, so daß die Entscheidung mich ins katholische Kinderheim zu geben aus dieser Perspektive sinnvoll erschien.

Wandel & Gestaltung

Zum zweiten Mal war dann mein Weg hinein ins Unbekannte – auch das erwies sich im Nachhinein als Glücksfall, da die Einschulung und der Zwang die deutsche Sprache zu erlernen – außer mir sprach kein Mensch slovenisch in diesem Heim – als eine Art „Lern-Beschleunigung“ fungierte und ich danach des Deutschen ermächtigt aber gleichzeitig des Slovenischen beraubt war. Nun da ich diese Zeilen niederschreibe sind über 50 Jahre vergangen und der Wunsch nach Deutung, wie und warum mein Kunstschaffen so aussieht und warum diese Form der Gestaltung… der Keim zum Ausdruck in der Gegenwart könnte in diesen Umbruchzeiten eingepflanzt worden sein… Das Schönheit aus Schmerz erwachsen kann stellt für mich dabei das größte Wunder dar.

Fluch & Segen

Wie Sabrina in Ihrem Artikel die Vorteile einer unglücklichen Kindheit  so treffend und wundervoll beschrieben hat, bringt die Kindheit jeden von uns dorthin, wo der Seelenweg hinführt. Ob nun Fluch oder Segen entscheidet allein das Bewußtsein und die aufmerksame Rück-Betrachtung auf den vollzogenen Weg.

Einsamkeit […]


Einsamkeit

Die Einsamkeit ist wie ein Regen.
Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen;
von Ebenen, die fern sind und entlegen,
geht sie zum Himmel, der sie immer hat.
Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.

Regnet hernieder in den Zwitterstunden,
wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen
und wenn die Leiber, welche nichts gefunden,
enttäuscht und traurig von einander lassen;
und wenn die Menschen, die einander hassen,
in einem Bett zusammen schlafen müssen:

dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen…

Rainer Maria Rilke, 21.9.1902, Paris

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