Die Sinne
Erweiterte Sinneslehre nach Rudolf Steiner
Die 5 oder auch 7 Sinne sind aus der allgemeinen Literatur bekannt, wobei die letzten beiden (6. Gleichgewichtssinn + 7. Tiefen- oder Stellungssinn) in der Regel nicht mitgezählt werden, wenn man von den “fünf Sinnen” spricht.
Die bekannten 5 Sinne des Menschen
1. Hören
2. Tasten
3. Sehen
4. Schmecken
5. Riechen
Obwohl in der Darstellung und Abgrenzung einzelner Sinne keine Einigkeit der Autoren zu finden ist, herrscht die Allein- und Allgemeingültigkeit beanspruchende Meinung: der Mensch habe eben diese fünf (oder etwas weiter gefasst: sieben Sinne). Sie sind einfach durch ihre Organe sichtbar und ihre Wirkensweise lässt sich inzwischen recht gut medizinisch / physiologisch aufzeigen.
Dennoch gibt es auf dem Felde der menschlichen Wahrnehmungen weitere Eindrücke: wir können “Wärmeunterschiede” und verschiedene “Schmerzenszustände” wie “Hunger und Durst” empfinden. Eine weit umfassendere und dazu in sich schlüssige Gliederung aller menschlichen Wahrnehmungen wird in Rudolf Steiners Sinneslehre beschrieben. Diese Sinneslehre geht weit über eine bloße Aufzählung von Sinnesorganen hinaus.
Die zwölf Sinne des Menschen: (nach Rudolf Steiner und der anthroposophischen Lehre)
1. Ich-Sinn
2. Gedanken-Sinn
3. Wort-Sinn 4. Hör-Sinn
5. Wärme-Sinn
6. Seh-Sinn
7. Geschmacks-Sinn 8. Geruchs-Sinn
9. Gleichgewichts-Sinn
10. Eigenbewegungs-Sinn
11. Lebens-Sinn
12. Tast-Sinn
Leibes-Sinne
Diese Reihenfolge der Sinne ist nicht zufällig aufgezählt oder zusammen gestellt: es zeigt sich, dass sich die eher subjektiven Eindrücke der untersten vier Sinne (9.-12.) direkt auf den Körper beziehen. Sie vermitteln die Wahrnehmungs- und Erfahrungswelt des eigenen Leibes. Darum werden sie auch “Leibessinne” oder “Körpersinne” genannt. Sie stehen in engem Zusammenhang mit dem Stoffwechsel-Gliedmaßen-System des Menschen und gehören seelisch dem Bereich des Willens zu. Die Leibessinne bilden somit die erste Vierer-Gruppe innerhalb dieser zwölf Sinne.
Erkenntnis-Sinne
Auch die obersten vier Sinne (1.-4.) könnten als eine Gruppe zusammengefasst werden, denn sie haben eine eigene Verwandtschaft mit dem Denken und dem Bewusstsein. Ihre Wahrnehmungen beziehen sich ausdrücklich auf “Nichtstoffliches”. Es sind die vier “Erkenntnis-Sinne“, welche ihre leibliche Beziehung zum Nerven-Sinnes-System des Menschen haben und in ihrem Bereich der Wahrnehmung dem der Seelenqualität des Denkens ähnlich sind.
Gemüts-Sinne
Zuletzt verbleiben die vier mittleren Sinne (5.-8.), welche in ihren Eigenschaften der Wahrnehmung immer ein Mittelmaß zwischen Erkenntnis- und Leibessinnen eingehen, sie bestehen in Wechselwirkung zwischen subjektiver und objektiver Wahrnehmung. In ihren Eindrücken beziehen sie sich zwar auf die Außenwelt, aber eine Wahrnehmung ist stark mit der eigenen Aktivität, dem eigenen Erleben und Fühlen verbunden. Diese “Gemütssinne” geben in ihrer Reihe nach oben hin immer “tiefere” Erkenntnisse über das innere der Stoffe. Die mittleren Sinne sind eng verbunden mit den rhythmischen Systemen des Menschen – also den Systemen, in denen hauptsächlich die Seelenqualität des Fühlens und des Gefühls seine Wirkung entfaltet.
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Zwei Erweiterungen hin zum 13. & 14.Sinn
Der Schönheits-Sinn
Die Schönheit des Blicks. Ein Sehen, das frei ist von Vorstellungen und Vorurteilen. Ein Blicken vorbehaltlos und offen. Ist es ein suchender Blick, einer, der den Moment des Findens offen läßt, so kann unsere Seele überrascht werden von der Schönheit des Seins. Diese Schönheit kann in Allem liegen, einer leichten vorbeiziehenden Wolke genauso wie im Blühen einer unscheinbaren Blüte oder im verdorrten Ast, der soeben vom Baum gefallen und nun seinen Weg wieder zurück zur Erde aufgenommen hat.
Überwältigt von Schönheit sind wir manchmal ergriffen und erschauern, dieses tiefe tiefe Gefühl von aufkommender Demut verlangt nach Austausch, verlangt danach geteilt zu werden. Immer wieder sind Künstler davon inspiriert und erschaffen aus diesem Erleben heraus Abbilder oder ganz andere Variatonen. Werden fündig und erschaffen Werke, die genau dieses Erschauern beim Betrachten zu Tage fördern.
Ist der zu entwickelnde Sinn Vorbereitung auf den Moment, auf den letzten Moment, auf den Übergang in die Anders-Welt, fernab jeder Vorstellung, eingebunden in eine allumfassende Schönheit, die mit ungeübtem Herzen, die mit unvorbereiteter Seele nicht zu ertragen ist? Und ist demnach der zu schulende Blick für die Schönheit, eine Vorbereitung auf genau diesen Moment des Übertritts, der uns ansonsten hinwegschwemmen würde, geht es um ein Üben Schönheit zu ertragen?
Was ist der Schönheits-Sinn?
Unser Blick auf die Dinge des Lebens ist zumeist flüchtig, oft oberflächlich und unbedarft. Es braucht Aufmerksamkeit und Verweilen, um Schönheit wahrzunehmen. Weil sie manchmal allzu offentsichtlich ist, gehen wir an ihr vorbei und erblicken allzu oft nur uns selbst, unser Blick richtet sich allzu oft auf die unfertigen Dinge des Lebens, auf die Baustellen und das Weh und Ach. Wollen wir hier einen Schritt weiter gehen, gilt es einen Schritt zurück zu machen, inne zu halten, einzuatmen, ausatmen und stille werden. Nochmals hinschauen und versuchen nichts zu denken, unsere Seele wird den Weg dann schon finden und die Schönheit in uns aufnehmen.
(inspiriert von John O´Donohue – Autor von Anam Cara)
Update (28.März 2018)
Der Wundersinn
Ob wir hier tatsächlich von einem Sinn sprechen können ist natürlich fraglich, aber im erweiterten Kunstfeld ist das WUNDERN eine ganz besondere Qualität. Dieser besondere Überraschungs-Moment, wenn im künstlerischen Prozeß etwas gelingt (unerwartet) und zu einem Ergebnis führt, welches wir zwar Wünschen, aber nicht erzwingen können, dies ist ein ganz eigener Moment, für den die künstlerische Seele offen sein sollte. Und wenn dem so ist, gelingen zum Teil erstaunliche Werke, die dann eine Art „Wunder“ in sich tragen und so den Wundersinn im Entstehen bedingen.
„Wär nicht das Auge sonnenhaft,
Die Sonne könnt es nie erblicken;
Läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
Wie könnt uns Göttliches entzücken?“
Johann Wolfgang von Goethe
Zur Aktualität des Schönheits-Sinns in der Tradition des Color Field Painting
„…Eröffnungs-Ausstellung geht also zurück zu einem Nullpunkt der Malerei, an dem die traditionelle Bildauffassung, die Abbildfunktion radikal hinterfragt wird und an dem es um die pure Farbe geht, um die Leinwand als Bildträger und visuellen Illusionsraum. Der Künstler als Akteur tritt zurück, objektivierende Faktoren wie Dichte, Intensität, Farbqualität werden wichtig, die Leinwand als Bildträger, der in Farbe getränkt wird, der Farbe aufsaugt, wird auch in seinen Oberflächenmerkmalen wieder mehr wahrgenommen…“
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